Tagtäglich bilden sich lange Schlangen vor dem Petersdom und den nahegelegenen Vatikanischen Museen. Unendlich viele Reisebusse spucken ihre internationale Fracht in Gruppenformation und im Minutentakt aus. Und der Rest der Touristen steigt aus der Metrostation Ottaviano empor, um von dort einen Spießrutenlauf vorbei an Ticket,- Selfiestangen-, und Bunte- Tücherverkäufer zu beginnen.
Kaum einer der Besucher aus aller Welt ahnt, dass er gerade durch ein sehenswertes Viertel von Rom läuft, in dem reichlich römische Alltagskultur und interessante Architektur zu bewundern ist. Prati ist nicht nur bekannt und beliebt für seine eleganten Palazzi , sondern punktet außerdem mit tollen Einkaufs- und Ausgehgelegenheiten jenseits der touristischen Trampelpfade.
Unsere Tour startet am Mercato Trionfale (Mo - Sa, 7 bis 14 Uhr) in der Via Andrea Doria 3 ganz in der Nähe der Vatikanischen Museen. Der überdachte Markt gehört zu den größten in ganz Europa und ist mit seinen über 200 Marktständen ein echtes Erlebnis für alle Sinne. In den vorderen Gängen stapelt sich buntes Obst, frisches Gemüse, Käse, Schinken und Salami in den Auslagen, während im hinteren Teil die beeindruckende Fischabteilung liegt. Im rechten äußeren Gang (vom Haupteingang der Via Andrea Doria aus gesehen) trifft man auf eine kleine Café-Bar, die die Marktstände mit ausreichend Koffein versorgt. Der Cappuccino dort gehört - meiner Meinung nach - zu einem der Besten in ganz Rom. Und die Cornetti schmecken übrigens auch nicht schlecht.
Nach dem Marktbesuch geht es zurück auf die Via Andrea Doria. Hier lohnt sich ein längerer Blick auf die beiden Treppen rechts und links des Haupteinganges. Die beiden riesigen Treppen-Stufen-Portraits zeigen das junge und etwas ältere Konterfei einer beliebten römischen Schauspielerin. Anna Magnani. Das Street-Art-Ensemble gehört zu dem Projekt POP-STAIRS, in dem der Künstler Diavù die Gesichter bekannter Schauspielerinnen auf römische Treppen malt.
Nun geht es nach rechts (mit Blick auf die Stufen) vorbei an den bancarelle, den Straßenmarktständen, auf denen zu günstigen Preisen von Unterhosen bis Handtaschen alles verkauft wird, was das römische Herz so begehrt. An der Kreuzung zur Via Ruggero di Lauria angekommen, solltet Ihr Euch unbedingt nach links wenden und den tollen Anblick der Petersdomkuppel genießen, die über den Hausdächer nebst pittoresker Begrünung schwebt.
Bis zur Via Candia, in die Ihr nach links abbiegt, ist es nur ein Katzensprung. Wem der Magen knurrt sollte in der Bäckerei Panificio Mosca (Via Candia 16) vorbeischauen. Die Pizzette (Mini-Pizzen) und die Pizza Bianca (römische Spezialität, ein Stück luftige bis knusprige weiße Pizza, die man mit Öl und Salz verfeinert, einfach so zwischendurch knabbert oder mit diversen Belägen erwerben kann) sind ausgesprochen lecker.
Nun machen Ihr Euch auf den Weg zu drei wirklich ungewöhnlichen Geschäften. Das erste liegt in der Via Scipione 46. Die antike Hutmanufaktur von Patrizia Fabi ist ein Paradies für Liebhaber von schicken Kopfbedeckungen und traditionsreicher Handarbeit. Beim Betreten des Ladens im originalen Retro-Chic erhascht man einen Blick in die hintere Werkstatt und die hölzernen Kopfmodelle, die sich bis unter die Decke stapeln. Keine 5 Minuten entfernt liegt das zauberhafte Storia e Magia (Via Ottaviano 32). Ein Paradies für Zauberlehrlinge, Magier und Ritter. Es liegt ein wenig versteckt im Innenhof. Die Ritterrüstung auf der Straße ist als Wegweiser jedoch nicht zu übersehen. Anschließend lauft Ihr nach links weiter über den Piazza Risorgimento auf den Einkaufs-Boulevard Via Cola di Rienzo. Die Filiale von Tiffany, das Nobelkaufhaus Coin Excelsior lasst Ihr allerdings in wahrsten Sinne des Wortes links liegen und wechselt auf die rechte Straßenseite. Immer weiter geradeaus bis Ihr auf ein buntes Schaufenster voller kulinarischer Köstlichkeiten aus der ganzen Welt steht. Das Sammelsurium aus internationalen Leckereien gehört zu dem römischen Feinkosthändler Castroni (Via Cola di Rienzo 196/198), den es hier in Prati bereits seit 1932 gibt. Ein Abstecher in den Laden lohnt sich vor allem für Kaffeeliebhaber. Diverse hauseigene Bohnenmischungen stehen zur Auswahl, die man an der Kaffe-Bar vor Ort probieren kann.
Prati ist bekannt für seine lebendige Gastronomieszene. Gerade zum Pranzo, zum Mittagessen locken viele Restaurants mit tollen Angeboten. Hier sind drei kulinarische Anregungen pünktlich zur Mittagszeit:
Porto, Via Crescenzio 56: Das lässig eingerichtete Fischrestaurant bietet ein reichhaltiges Buffet für nur 9 Euro an.
Orto,Via Giuseppe Giocchino Belli 142: In kreativer Shabby-Chic-Atmopshäre wird jeden Mittag ein riesiges vegetarisches Buffet aufgebaut. Inkl. Wasser kostet der fleischlose Genuss nur 10 Euro.
Il Gianfornaio, Via dei Gracchi 179: Über ganz Rom sind die mittlerweile 5 Filialen des römischen Back-Hauses verteilt. Besonders zur Mittags- und Aperitivo-Zeit ist die große Auswahl an Pizzen und kleinen Gerichten sehr beliebt.
Nun geht es weiter zur Piazza Cavour. Wer von Euch auf´s Mittagessen verzichtet hat, geht von Castroni aus einfach die Via Cola di Rienzo hinab bis zur Via Cicerone, in die Ihr nach rechts abbiegt. Und dann seht Ihr ihn auch schon am Ende der Straße.
Den wohl beeindruckendsten Platz in Prati. Zahlreiche Palmen sprießen aus einem englisch anmutenden Rasen. Bänke laden zum Verweilen im Schatten ein und im Hintergrund steht ein riesiger üppig verzierter Palazzo, in dem sich das Kassationsgericht befindet. Während spektakulären Verhandlungen wimmelt es dort nur so vor Journalisten und Fernsehübertragungswagen. An normalen Tagen gehört der Platz pausierenden Juristen, Kindermädchen, Kindern mit Fahrrädern und Hundebesitzern.
Von hier aus ist es nicht mehr weit bis zu einem der wohl unbekanntesten jedoch skurrilsten Museen in ganz Rom: Das Fegefeuer-Museum. Es befindet sich in der Chiesa Sacro Cuore del Suffragio, Via Lungotevere Prati 18. Die neugotische Fassade der Kirche ist allein schon den Spaziergang wert. Das Fegefeuer-Museum ist an sich recht unspektakulär anzusehen. Im Grunde genommen besteht es aus einem Raum. Spannend wird es erst, wenn man die Entstehungsgeschichte kennt. Als Beweisstücke, dass die Toten aus dem Fegefeuer heraus versuchen - um Erlösung bittend - Kontakt mit den Lebenden aufzunehmen, werden hier Buchseiten oder Bettzeug ausgestellt, auf denen die schwarzen Handabdrücke der brennenden Seelen zu sehen sind. Gemeinsam mit allerlei Fotos und Schriftstücken ergibt das Ganze eine recht interessante Sammlung mit leichtem Gänsehautfaktor.
Lust auf ein Eis? Eine Filiale der bei den Römern extrem beliebten Eisdielenkette "La Romana" liegt nur 10 Minuten zu Fuß entfernt
(Via Cola di Rienzo 2) . Im "Anno-Da-zumal"-Look gilt es hier aus reichlich leckeren, aber auch sehr schweren Eissorten zu wählen. Von einer allzu großen Portion würde ich absehen. Raten kann ich allerdings zu Crema dal 1947 (Vanilleeis wie es ganz früher gemacht wurde) und Croccante della Nonna (Krokanteis nach Art der Oma).
Aleeza, Via Cola di Rienzo 24: farben- und musterintensive Damen-Mode und Accessoires inspiriert von den 70ern, reizend präsentiert in einem schicken kleinen Laden, sehr sehr nette Designerin, die oft selbst vor Ort ist!
Guja, Via Cola di Rienzo 36 : ausgefallene Schuhmode aus Mailand, begleitet von ausgewählten Fashion-Stücken
"Mein" Styleguide Rom für den NATIONAL GEOGRAPHIC!
Monatelang war ich für dieses tolle Projekt kreuz und quer in Rom unterwegs. Ständig auf der Suche nach den tollsten, coolsten, hippsten, sehenswertesten und einzigartigsten Locations. (Meine Erlebnisse mit den kapriziösen Römern während der Recherchearbeiten müsste ich eigentlich in einem separaten Buch verarbeiten...) Gefunden habe ich knapp 150 Restaurants, Cafés, Museen, Designer, Manufakturen, Bars, Hotels und tolle Interview-Partner, die Einblicke in ihr römisches Leben gewähren. So wie Cristian, Barista in einem der ältesten römischen Cafés. Oder die wunderbare Signora Luisa Longa. Künstlerin und Besitzerin eines traumhaften B&B in Trastevere.
Liebe Rom-Freunde, für alle diejenigen, die das schönste Chaos in Italien aus der Nähe kennenlernen möchten und auf der Suche nach ein paar Tipps, Anregungen und Inspirationen für den nächsten Rom-Trip sind, gibt es jetzt den "Fettnäpfchenführer Rom". Darin können Sie blättern, lesen und vor allem noch tiefer in den aufregenden römischen Alltag eintauchen. Ich wünsche Ihnen genauso viel Spaß beim Lesen wie ich ihn beim Schreiben hatte! Wer vorab einen Blick in das Inhaltsverzeichnis werfen möchte kann dies hier tun.