- Überraschungen, Kleinode und Sehenswürdigkeiten abseits der Touristenpfade -
"Roma, non basta una vita"! Der Buchtitel des Schriftstellers Silvio Negri ist mittlerweile zu einem geflügelten Wort geworden, weil er den Nagel auf den Kopf trifft. Um Rom zu entdecken, da reicht kein Leben! Selbst wer glaubt Rom gut zu kennen, dem präsentiert die Ewige Stadt immer wieder Überraschendes. So erging es mir vor kurzem mit dem Acquario im Esquilin-Viertel.
Schon unzählige Male bin an dem kleinen Park samt schmucken Gebäude vorbei gelaufen. Jedes Mal habe ich mir vorgenommen beim nächsten Mal einen genaueren Blick hinter die üppige Fassade zu werfen. Große Hoffnung das Gebäude von Innen zu sehen hatte ich nicht. Es ist heute der Sitz der Casa dell` Architettura (Haus der Architektur). Während einer Recherche-Tour durch das Esquilin-Viertel habe ich dem Acquario nun endlich einen Besuch abgestattet. Die beste Nachricht zuerst: das Untergeschoss des kuriosen Gebäudes empfängt kostenlos Besucher und ist äußerst sehenswert.
Die Geschichte des Acquario ist eng mit der Entwicklung des Viertels Esquilino verbunden. Nachdem Rom im Jahr 1871 zur Hauptstadt des vereinigten Italiens ausgerufen worden war, fehlte es an repräsentativem Wohnraum für die zahlreichen Staatsbediensteten. Auf dem Esquilinhügel ging ein regelrechter Baumboom los. Ein schicker Palazzo nach dem anderen wurde errichtet. Da kam Signore Pietro Garganico aus Como mit seinem großartigen Traum von einem modernen Aquarium in Rom genau richtig. Der freie Bauplatz auf der Piazza Manfredo Fanti schien geradezu perfekt für das Bauvorhaben. Die bürgerliche Schicht in dem neuen Stadtviertel würde bestimmt seine große Freude an dem Freizeitvergnügen haben. Zwischen 1885 und 1887 wurde das Aquarium erbaut und sah am Ende garnicht mehr so aus wie Signore Garganico es sich vorgestellt hatte. Der beauftragte Architekt hatte großen Wert auf eine ansprechende Optik und den pittoresken Park gelegt. Maritime Schmuckelemente gab es viele, Platz für Aquarien hingegen kaum.
In dem runden Hauptsaal, der an ein Theater erinnert, standen nur wenige Bassins, in denen sich Fische tummelten. Noch im ersten Jahr musste Signore Garganico sein Projekt aus finanziellen Gründen an ein anonymes und zwielichtiges Konsortium abtreten. In der Presse sprach man damals von der Piazza Manfredo Fanti als einen "Sumpf der von Kröten bewohnt würde". Geld war mit den Fischen nicht zu verdienen und so ging auch das Konsortium bald pleite. Ebenso wie viele der Baufirmen und Privatleute, die auf dem Esquilin in herrschaftliche Immobilien investiert und sich verspekuliert hatten. Am Ende übernahm die Kommune Rom das Acquario.
Die letzten Aquarien wurden 1894 aus dem Gebäude gebracht. Die nächsten Jahre diente es als drittklassiger Veranstaltungsssaal für Operetten und Varietés, die hauptsächlich von den einfachen Römern besucht wurden. Ab den 1930er Jahren lagerten hier die Requisiten der nahe römischen Oper. In dieser Zeit wurde sogar überlegt das Gebäude abzureißen. Häßlich war es in den Augen vieler geworden. So wie das Esquilinviertel selbst, dass es mit seiner Nähe zum Bahnhof Termini nie zu einer repräsentativen Wohnstätte gebracht hatte. In den 1940er Jahren sollte dann ein Kino samt Restaurant in das Acqario einziehen. Aber die Offerten von privaten Investoren blieben über all die langen Jahre von der Kommune Rom ungehört. Stattdessen ließ man das Gebäude und den Park verkommen.
Irgendwann kam man in Rom auf die Idee, das heruntergekommene Esquilinviertel aufzuwerten. Zu diesem ambitionierten Vorhaben gehörte auch die Renovierung des alten Acquario. Die Arbeiten dauerten von 1985 bis 2002. Innerhalb dieser 17 Jahre wurde das Gebäude in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt. Ich kann Euch nur empfehlen, Euch das Endergebnis anzuschauen. Es ist nicht atemberaubend, was Ihr dort zu sehen bekommt. Das Innenleben des Acquario glänzt mit einer leicht skurillen und (aufgrund seiner Geschichte) tragischen Schönheit. Die goldenen Türen mit Bullaugen, die zu dem kreisrunden Hauptsaal führen, erinnern mich an die kitschige Verfilmung des Jules Verne Klassikers "20.000 Meilen unter dem Meer" und durch den Saal an sich weht ein leichter Hauch Titanic-Stimmung.
Um in diese maritime Märchenwelt einzutauchen, müsst Ihr nur 15 Minuten Zeit investieren und keinen Eintritt bezahlen. Bei Veranstaltungen kommt man nicht rein, aber einen Versuch ist es wert.
Casa dell`Architettura, Acquario Romano
Piazza Manfredo Fanti 47 (5 Minuten zu Fuß von Bahnhof Termini entfernt)
Mo - Fr.: 9.00 - 13.00 Uhr, 14.30 Uhr - 16.30 Uhr
Bald gibt es an anderer Stelle den Kompletten Streifzug durch das Esquilin-Viertel zu Lesen. Bis es Soweit ist, habe ich Hier noch einige Andere Stadtteil-Inspirationen und Kleinode für Euch:
Testaccio und Ostiense - Sehenswürdiges im Süden von Rom
Trastevere entdecken - Ein Streifzug mit 14 Sehenswürdigkeiten