Das Thema, das Rom zu Beginn des neuen Jahres in Atem hält, ist eine alte Bekannte: die ewig andauernde Müllkrise. Seit Weihnachten türmen sich die Müllsäcke in römischen Straßen besonders hoch. Auch die Bürgersteige vor einigen der 3000 Schulen in Rom verschwanden in den letzten Tagen unter übelriechenden Abfallbergen.
Eltern, Lehrer und Schulfunktionäre sahen in den Müllbergen eine große Gesundheitsgefahr für die Schüler. Der Leiter der römischen Schuldirektoren forderte sogar, dass die Schulen nach den Weihnachtsferien nicht wie geplant am 7. Januar wieder öffnen sollten. Aus hygienischen Gründen sollte der Unterricht solange ausfallen, bis der Abfall vor den Schulen beseitigt wäre. Nach einem Sondereinsatz der AMA, der römischen Stadt- und Müllwerke, wird es heute jedoch kein Müll-frei in den Schulen geben.
Rom vermüllt nicht nur an Weihnachten
Die weihnachtliche Müllkrise trifft Rom nicht ohne Vorwarnung. Schon jenseits der Festtage weiß die italienische Hauptstadt nicht wohin mit den Tonnen von Müll, der täglich in der Millionenmetropole anfällt. Je weiter man in Rom vom touristischen Zentrum entfernt wohnt, desto seltener werden die Müllcontainer geleert. Immer wieder verwandeln sich ganze Straßenzügen in Außenbezirken wie Tor Sapienza in wilde Mülldeponien. Immer wieder stellen verzweifelte Anwohner Fotos und Videos in die soziale Medien. Die darauf folgende Empörung ändert nichts an den Tatsachen. Malagrotta, die einzige offizielle Mülldeponie der Stadt, ist 2015 aus guten Gründen geschlossen worden. Zum einem war die offene Halde völlig überfüllt und zum anderen nach EU-Richtlinien illegal. Eine Müllverbrennungsanlage besitzt Rom nicht. Der Müll wird in römische Abfallsortieranlagen gebracht und von dort nach Norditalien oder Österreich exportiert. Eine kostspielige Vorgehensweise, die die Römer teuer bezahlen. Nach Neapel gelten in Rom die höchsten Müllgebühren in ganz Italien.
Kurz vor Weihnachten ging eine der Abfallsortieranlagen an der Via Salaria in Flammen auf. Ausgerechnet vor den Feiertagen, an denen mehr Müll anfällt und noch weniger Mitarbeiter der AMA unterwegs sind als üblich. Auch wenn die Schul-Müll-Krise dank einer AMA-Task-Force abgewendet werden konnte, besteht kein Grund zum Aufatmen. Langfristige Lösungen sind in Rom nicht in Sicht.
Rom setzt in Sachen Müll auf mehr Eigeninitiave und höhere Geldbussen
Seit dem Sommer 2016 ist Virginia Raggi Bürgermeisterin von Rom. Die Politikerin gehört der Fünf-Sterne-Bewegung an. Ihr Konzept gegen die ewige römische Müllkrise lautet: mehr bürgerliches Engagement in Sachen Mülltrennung. Dazu gehört eine kleine Kompostanlage auf jedem Balkon. Auch jede Wohnung in meinem Condiminio (Mehrfamilienhaus/Wohnanlage) bekam eine Bio-Tonne von einer Stadtteil-Abordnung mitsamt einer langen Erklärung überreicht. In Gebrauch genommen wurde die persönliche Tonne von nur wenigen Nachbarn. Im Hochsommer habe auch ich auf diese Art der Mülltrennung verzichten müssen. Bei 35 Grad im Schatten lernt so eine Bio-Tonne auf dem Balkon schneller laufen, als man es sich vorstellen mag. Das Thema Geruchsentwicklung will ich garnicht erst erwähnen.
Im neuen Jahr sollen Müllsünder stärker bestraft werden. Wer seinen Hausmüll nicht in die großen Müllcontainer wirft, sondern davor abstellt, wird zur Kasse gebeten. Außerdem sollen Römer bei Bedarf die Straßen und Gehwege rund um die Container selber sauber halten. Ob das funktioniert? Meine eigenen Müll-Erfahrungen in Rom lassen wenig Raum für Hoffnung.
Dabei hat das Konzept der Eigenverantwortung in "meiner Straße" in Rom funktioniert. Allerdings besaßen wir den großen Luxus, uns die Container mit nur wenigen Nachbarn teilen zu müssen. Platzmangel herrschte in den Tonnen selten. Außerdem besaßen wir einen noch viel größeren Luxus in Form unseres Hausmeisters. Der kümmerte sich tagtäglich darum, dass es rund um die Müllcontainer ordentlich und sauber aussah. Seine Aufgabe war es nicht, nur sein persönlicher Anspruch.
So kam es morgens ziemlich oft zu folgenden fast schon absurden Szenen: Römer im Auto oder auf dem Motorino, auf dem Weg zu Arbeit oder dabei den Nachwuchs in der Schule abzuliefern, hielten an den Müllcontainern vor unserem Condiminio. Statt aus dem Auto zu steigen, wurden die Mülltüten aus dem Fenster auf die Straße geworfen. Zweiradfahrer machten sich auch nicht die Mühe, ihren Roller abzustellen, um ihren Abfall in den Containern zu entsorgen. Um der morgendlichen Abfallflut Herr zu werden, stellte sich unser Hausmeister bei Gelegenheit auf die Straße und nahm die Mülltüten entgegen! Ein Service, den die Vorbeifahrenden völlig selbstverständlich und kommentarlos hinnahmen.
Bürgerinitiativen räumen die Ewige Stadt auf
Diese Szenen geben einen kleinen Einblick in römische Servicebereitschaft und mangelndes Problembewußstein. Wie gut, dass nicht alle Römer so gedankenlos mit dem Thema Müll umgehen. Bürger-Initiativen wie Retake Roma kämpfen aktiv seit Jahren für ein sauberes Rom und gegen den Verfall der Stadt. Vor einiger Zeit habe ich ein interessantes Interview mit einer der Retake Gründerinnen geführt. Es blieb nicht nur bei einem Gespräch mit Rebecca Spitzmiller. Gemeinsam haben wir eine Hauswand in Rom von Graffitti befreit. Wenn Euch mein Einsatz bei Retake interessiert, dann solltet Ihr folgenden Blog-Artikel lesen.