Ich weiß gar nicht mehr wie oft ich schon bei einem Sonntagsspaziergang durch die Villa Borghese am Museum Pietro Canonica vorbei gelaufen bin und mich gefragt habe, ob es sich lohnt einen Blick in das leicht skurril anmutende Gebäude zu werfen. Die sandfarbenen mit Zinnen besetzten Mauern und die Maultier-Skulptur vor dem Eingangstor, erinnern mich immer an ein mexikanisches Fort aus einem drittklassigen amerikanischen Western der frühen 70er Jahre. Eine Assoziation, die nicht gerade eine positive Erwartungshaltung in mir weckt und mich vermutlich bis zum heutigen Tage davon abgehalten hat die "Fortezzuola", wie das Gebäude in Rom genannt wird, zu betreten. Vorab an dieser Stelle darf ich schon einmal allen Rombesuchern raten: Machen Sie nicht den gleichen Fehler wie ich und laufen am Museum von Pietro Canonica vorbei! Es ist ein charmantes, interessantes und liebevoll gepflegtes Kleinod in der römischen Museumslandschaft, für dessen Betreten zudem keinerlei Eintrittsgeld verlangt wird!
Als ich also heute bei strahlendem Sonnenschein durch das Eingangstor des Forts trat, erwartete mich die erste positive Überraschung. Ein kleiner Orangengarten, in dem man auf Sitzbänken in Grünem eine Pause einlegen kann. Das Museumsinnere hatte dann noch viel mehr an Unerwarteterem zu bieten. Ich wusste, dass Pietro Canonica Bildhauer war, ich hatte jedoch nicht den blassesten Schimmer, dass er Anfang des 20. Jahrhunderts ein international gefragter Künstler gewesen ist und an den europäischen Höfen ein und aus ging, um Könige, Prinzen, Queens und Zaren in Stein zu meißeln oder in Bronze zu gießen. Nach dem 1. Weltkrieg hatte Pietro Canonica dann besonders viel damit zu tun Ehrendenkmäler für die Kriegsgefallenen zu entwerfen, die heute noch auf großen Plätzen stehen. So sind neben vielen Büsten und Skulpturen adliger Damen und nobler Herrscher hoch zu Ross, auch Kriegs-Szenarien zu sehen.
1927 hat die Stadt Rom dem aus Turin stammenden Künstler das Anwesen in der Villa Borghese überlassen. Einst war hier allerlei Federvieh für die Jagdgesellschaften der Familie Borghese aufgezogen worden. Canonica ließ die Ställe zu Ausstellungsräumen umbauen und zog in das Nebengebäude, in dem er bis zu seinem Tod 1959 lebte und arbeitete. Sein Studio und seine Wohnung sind noch original möbliert zu besichtigen! Im Erdgeschoss befindet sich der Empfangs- und der Arbeitsraum, mit Blick in den wunderbaren Orangengarten. Die erste Etage ist in kleinen Gruppen alle halbe Stunde zu bewundern. Neben einem verblüffend kleinen Bett und einem Musikzimmer, sind es vor allem die persönlichen Gegenstände und die Fotos an den Wänden, die den besonderen Charme dieses Ortes ausmachen. Oder vielleicht war es auch der freundliche Museumsmitarbeiter, der sich über mein Interesse an dem Museum so sehr gefreut hat, dass ich in den Genuss einer Privatführung kam...
Neben den Ausstellung- und Wohnräumen gehört zu dem Museum auch das "Lager", das aus einem tiefergelegenen Gartenbereich und einem frisch renovierten Kellergewölbe besteht. Dort werden nicht nur Stücke bis zur Restauration gelagert, sondern auch aus Sicherheitsgründen Original-Skulpturen aufbewahrt, die in der freien römischen Kulturlandschaft durch Kopien ersetzt worden sind. So wie zum Beispiel die Tritonen von der Fontana del Moro auf der Piazza Novona. Am heutigen Morgen war dieser Bereich für Besucher gesperrt, weil Dreharbeiten für eine Fernsehreportage stattfanden. In die platzte ich dann mit meinem freundlichen Museumsmitarbeiter hinein, was ihn jedoch nicht davon abhielt mir alles zu zeigen und zu erklären. Zum Beispiel die Hundeskulptur, der ein Bein fehlt, weil sie vor 2 Tagen vom Garibaldi-Denkmal gekippt ist, oder die Fotos von den aufwändigen Umbauten des Gewölbes, das nun mit weißen Wänden und dunklen Stahlträgern einen modernen Kontrast zu den altehrwürdigen Kunstwerken darin bildet. Wie gerne mein unverhoffter Begleiter seinen Arbeitsplatz mag und sich mit seiner Geschichte indentifiziert, hätte er nicht noch mal gesondert betonen müssen. Meist kenne ich römische Museumsmitarbeiter nur als miesepetrig dreinblickende Damen und Herren, deren einzige verbale Regung in einem gebrüllten "NO FLASH!" besteht. Mein heutiger unverhoffter Begleiter ist ebenso ein musealer Schatz wie das Museum selbst und ich hoffe, dass sein Wunsch noch ganz lange an diesem Ort arbeiten zu dürfen, in Erfüllung geht!
Museo di Pietro Canonica in der Villa Borghese, Viale Pietro Canonico 2, Dienstag bis Sonntag, 10 - 16 im Winter, 13 bis 19 Uhr im Sommer