Die Stadt am Vesuv mag mich einfach nicht mehr los lassen. Immer häufiger zieht es mich in das Zentrum des Mezzogiorno. Dort wo 2700 Jahre ereignisreiche Geschichte überall ihre Spuren hinterlassen haben. Vor Cuma lieferten sich Griechen und Etrusker eine erbitterte Seeschlacht. Wer etwas im antiken Rom auf sich hielt verbrachte die Sommerfrische im Golf von Neapel. Auch ein Vesuvausbruch, der Pompei unter Schutt und Asche begrub, konnte der Attraktivität der Region nichts anhaben. Nach dem Ende des römischen Reiches kamen die Byzantiner und Langobarden, Vertreter der Häuser Anjou und Aragon. Gefolgt von den Langobarden und Normannen. Friedrich der II., das "Staunen der Welt" gründete Anfang des 13. Jhdt. die neapolitanische Universität, die noch heute seinen Namen trägt. Einst residierten in der damaligen europäischen Metropole spanische Könige, später die Bourbonen. Karl III. von Bourbon ließ "La Reggia di Caserta" erbauen. Ein Schloss ganz im wenig bescheidenen Sinne des Absolutismus mit über 1000 Zimmern und einem überdimensionierten Schlossgarten. Der heutige Ruf Neapels besitzt jedoch nur noch wenig königlichen Glanz. Mafia und Müllskandale. Chaos und eine korrumpierte, unfähige Bürokratie. Das sind die Begriffe mit denen "Neapolis" in Verbindung gebracht wird und die die Touristenströme vom Stadtzentrum fern halten. Dabei gibt es in Neapel so unendlich viel zu verpassen. Auch wenn nicht jeden die Multikulti-Geschichte Neapels interessieren mag, so sind allein die lebenslustigen Neapolitaner und ihre kulinarischen Spezialitäten eine Reise wert. Von den unzähligen Ausflugszielen in der Umgebung gar nicht erst zu reden. Ich habe mich an diesem Wochenende für einen Klassiker entschieden: Amalfiküste. Allerdings nur einen kleinen Abschnitt der berühmten Touristen-Region bis zu dem reizenden Örtchen Positano. Schon zu dieser Jahreszeit war der touristische Trubel recht bemerkenswert. Ebenso wie die Postkarten-Landschaft und die Bilderbuch-Aussichten aufs Meer. Ein wirklich schönes Fleckchen Italien, dem ich jedoch nicht meine vollste Aufmerksamkeit widmen konnte, da meine Vorfreude auf Neapel mich zu sehr beschäftigte.
Endlich in Neapel angekommen, ging es sofort auf die Via Toledo. Auf der langen Einkaufsmeile flaniert scheinbar ganz Neapel. Hier ist es immer voll ohne eng zu sein. Mit einer Tüte frittierter Köstlichkeiten in der Hand erreicht man rasch die Chiesa Gesù Nuovo. Nicht nur die Fassade ist anders als andere, auch im Inneren lässt sich manch Skurriles entdecken, das im Zusammenhang mit dem Heiligen Giuseppe Moscati in Zusammenhang steht. Er lebte von 1880 bis 1927 und wirkte als Arzt in Neapel. Johannes Paul II. sprach den tiefgläubigen, begnadeten und selbstlosen Mediziner heilig. Sowohl zu Lebzeiten als auch nach seinem Tode wurden ihm wunderbare Heilungen von Schwerkranken zugeschrieben. In der Kirche befindet sich eine Kapelle mit einer Statue des "Santo Medico", zu der man kommt, um für seine und die Gesundheit anderer zu bitten. Wenn man sieht mit welcher Inbrunst dies einige tun, dann berührt dies sogar so spröde Protestanten wie mich. Kurios ist auch der Bereich, in dem das Zimmer, in dem Moscati gewohnt hat, ausgestellt ist. Die Wände sind übersät mit Votivgaben, darunter auch goldene Spritzen.
Über die schnurgerade und sogenannte "Spaccanapoli", einer Straße, die eigentlich aus drei hintereinander folgenden Straßen besteht, geht es hinein in die Enge der Altstadt. An diesem Wochenende waren diverse Trommlergruppen unterwegs, die sich in langsam wogenden Rhythmus ihrer Trommelkunst durch die Gassen bewegten. Gestaute Menschenmassen in engen Gassen sind für mich als Claustrophobikerin ein wahrer Horror. In Neapel aber war es für mich hingegen fast ein Vergnügen in der Menschenmasse mit zu wackeln.
Ein kitschiges Muss ist für uns immer der Spaziergang durch die Straße der Krippenbauer, die Via S. Gregorio Armeno. Das ganze Jahr über lässt sich hier Krippenzubehör aus Übersee jedoch auch wahre neapolitanische Handwerkskunst bestaunen und käuflich erwerben. Vorbei an unzähligen Kirchen und Palazzi gelangten wir zum "Duomo di San Gennaro". San Gennaro ist der Schutzheilige Neapels. In einer Kappelle werden Phiolen mit seinem Blut aufbewahrt. Dreimal (1. Mai, 19. September und 16. Dezember) im Jahr werden die Ampullen hervorgeholt, gedreht und dafür gebetet das Blut darin möge sich verflüssigen. Denn geschieht dies hat Neapel kein Unheil zu befürchten. In Jahren, in denen die Verflüssigung jedoch ausblieb kam es zu Katastrophen wie Epedimien oder Vulkanausbrüchen. Dieses neapolitanische Blutwunder wird übrigens von der katholischen Kirche nur toleriert, aber nicht offiziell anerkannt. Zuviel zu den neapolitanischen Heiligen und deren Wundern. Apropos: Wunderbar ist immer wieder ein Spaziergang am Lungomare, entlang der noblen Promenade hin zum Castel dell´ Ovo, das wehrhaft auf einer Felseninsel trohnt und Neapels älteste Burg ist.
Rom und Neapel trennen übrigens nur etwas mehr als 1 h Fahrt mit der Frecciarossa, dem Schnellzug. Zudem bietet die italienische Bahn überraschend günstige Wochenendtariffe. Da lohnt sich ein Tages-Tripp. Nur als kleiner Tip, falls ich Sie mittlerweile auch auf den neapolitanischen Geschmack gebracht habe.