5 Tage lang sollte es für mich "Out of Rome" gehen. Der erste Etappenpunkt der diesjährigen "Karnevalsferien" hieß Bolsena. Der kleine Ort liegt an dem gleichnamigen See, ca. 90 km nördlich von Rom entfernt. Nach einem kleinen Spaziergang an der herrlich frischen Luft mit Blick auf die beiden winzigen Inseln im Bolsena-See und einem Caffè an der um dieser Jahreszeit menschenleeren Seepromenade ging es auf der "Cassia" weiter in Richtung Montepulciano. Wie immer wenn wir in bergigen Teilen Italiens unterwegs sind, war auch heute unsere geplante Fahrtroute irgendwann gesperrt und wir mussten einen Umweg über einen Berg fahren. Wo wir uns nun geographisch genau über unendliche Serpentinen nach oben geschraubt haben, wusste noch nicht einmal das Navigationsgerät.
Immerhin sind wir 20 Minuten keinem anderen Wagen begegnet. Von menschlichen Behausungen weit und breit keine Spur. Nur karges Gestrüpp und ein guter Ausblick auf das Gipfelkreuz des Monte Amiato, der immerhin 1700 Meter hoch ist. In diesen Momenten lohnt sich ein voller Tank und kurvenfeste Mägen. Irgendwann deuteten die ersten Straßenschilder wieder auf nahende Zivilisation hin. Und wer weiß wären wir nicht diesen wahnwitzigen Umweg gefahren, vielleicht wären wir auf einer anderen Straße nach Montepulciano gelangt und wären somit nicht auf die "Fattoria Pulcino" am Wegesrand gestossen und uns wäre ein fulminanter "Pranzo" entgangen. Der große Speisesaal in rustikalem Ambiente war zur Hälfte mit Vorhängen abgetrennt. So blieb uns der auf Werbetafeln angekündigte Panorama-Blick verwehrt. Zu sehen gab es dennoch genug! An den für die Toskana typischen langen Holztischen mit Löschpapier als Platzdeckchen saßen hauptsächlich Paare, die verträumt Händchen hielten, wenn sie nicht gerade an einem halben Rind in Form eines "Bistecca alla Fiorentina" herumschnitten. Da fiel es uns wie Schuppen von Augen: Es war Valentinstag und wir waren die einzigen Gäste, die die Frucht ihrer Liebe mit dabei hatten und die bald darauf gemäß eigener Aussage die beste Salcicca (Bratwurst) "der Welt" zu sich nahm. Ich hatte ein sensationelles Kalbsteak vom Holzkohlegrill und ein Glas kräftigen "Vino Nobile". Für alle Mitmenschen, die auf tierische Lebensmittel verzichten, ist die "Fattoria Pulcino" wirklich kein schöner Ort, allen anderen empfehle ich einen Abstecher.
In Montepulciano kommen nicht nur Weinliebhaber auf ihre Kosten. Der romantische Ort liegt auf 600 Meter Höhe und bietet einen unglaublichen Weitblick bis zum "Lago Trasimeno". Die engen Gassen mit einladenden Cafés und Geschäften hatten wir fast - bis auf einige Valentinspaare - für uns alleine. Nach der Anzahl der diversen Parkplätze um das mittelalterliche Städtchen herum zu urteilen, wird es hier vermutlich ab Ostern bedeutend enger werden.
Die weitere Fahrt bis zum Etappenendziel Siena verlief ohne Umwege über eine Schnellstraße. Während das Landschaftsbild zwischen Bolsena und Montepulciano etwas ruppig Ursprüngliches an sich hatte, ging es auf dem zweiten Streckenabschnitt vorbei an Hügeln, die immer grüner und lieblicher wurden. Die typisch klischeehaften Toskana- Momente mit Ausblick auf kugeligen Hügel, Zypressen und Olivenbäumen wurden immer häufiger. In Siena sind wir im "Hotel Garden" abgestiegen. Ein recht charmantes ****Kongress-Touristen-Hotel, ein wenig außerhalb des Stadtzentrums. Kein Problem, dachte ich noch bei der Standortauswahl. Denn für eine Römerin sollte die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs in einer 50.000 Einwohner Stadt wie Siena kein Herausforderung sein. Top organisiert ging es noch vor Bezug des Hotelzimmers zum Bahnhof, um Bustickets zu erwerben. Die uns einige Zeit später nicht viel nutzten, denn der Bus der eigentlich zweimal die Stunde direkt am Hotel vorbeikommen sollte, gar nicht erst vorbei kam. Solch römische Verhältnisse gewöhnt ging es zur nächst möglichen Haltestelle, um dort in eine andere Buslinie einzusteigen. Die gewünschte Haltestelle im Stadtzentrum fest im Blick während das dunkle und verregnete Siena an uns vorbei zog, fuhren wir völlig ahnungslos aber zuversichtlich hinaus ans andere Ende der Stadt. Wir hatten den Ausstieg an der korrekten Haltestelle verpasst, weil diese Buslinie die korrekte Haltestelle erst gar nicht anfuhr. Und so warteten wir nun mitten im Nichts im Dunkeln auf den laut Auskunft letzten Bus, der in Richtung Innenstadt gehen sollte. Das kann bei falscher Lesart von google maps eben passieren. Um eine Buserfahrung und die Erkenntnis, dass der römische Nahverkehr gar nicht so übel ist, reicher, kamen wir irgendwann an der "Piazza Gramschi" an. Mein Interesse an der senesischen Altstadt mit den herrlichen Palazzi hielt sich um die mittlerweile vorgerückte Stunde und im frösteligem Nieselregen in Grenzen. Daher ging es ohne lange Umschweife zur Trattoria "La Chiacciara", einem einfachen sienesischen Gasthaus, das in jedem Reiseführer auftaucht. Mit Recht. An rustikalen Holztischen werden regional typische und ursprüngliche Gerichte serviert. Auf der handgeschriebenen Karte überzeugten mich die Tagliatelle mit pikanter Hühnerleber. Dazu gab es ein paar Schlückchen von dem empfehlenswerten roten Hauswein. Zum Abschluss ein Stück des herrlichen hausgemachten Kuchens... Genau in diesem Moment verspürte ich eine angenehm zufriedene Bettschwere, der ich mich allzu gerne in einem fußläufig entfernten Hotel schnellst möglich hingegeben hätte. Aber mir stand noch eine Fahrt im Nachtbus voll mit Pubertierenden bevor, während mir wieder einfiel wieso ich sonst immer zentral gelegene Hotels buche...