My Big Fat Naples Weekend!!!!

Ich komme just von einem Wochenende aus Neapel zurück. Vollkommen beeindruckt von den üppigen Eindrücken der letzten 72 Stunden. Neapel platzt vor Energie, ist zugegebenermaßen reichlich hyperaktiv, irgendwie anarchisch und gleichzeitig magisch.  In Italien geniesst die Stadt am Vesuv nicht den allerbesten Ruf. Man lästert gerne über die Neapolitaner. Ihre Faulheit, ihr Chaos, Ihre Verschwendungslust, ihre Müllprobleme, ihre Kriminellen. Neapel ist das schwarze Schaf Italiens. Das Schmuddelkind, mit dem niemand spielen will. Nur essen und Kaffee trinken..... 

Der Start ins neapolitanische Wochenende fiel eindeutig klassisch aus. Zunächst ging es nach Pompei. Trotz oder wegen einer gehörigen Überdosis an Latein und Geschichte während der Schulzeit, schaue ich mir in Rom die antiken Überbleibsel bisher nur by the way an. Der Besuch von Pompei könnte dies eventuell ändern. Das in der ganzen Welt bekannte Unglück dieser Stadt ist unser heutiges Glück. Pompei hat mehr als 1500 Jahre konserviert unter Asche und Bims verbracht. Es ist wirklich unglaublich wie gut die Gebäude und Straßen erhalten sind. In Rom auf dem verfallenen Forum bedarf es einer gewissen Anstrengung, um antikes römisches Leben vor seinem geistigen Auge heraufzubeschwören. Hier hingegen ist eine kleine Zeitreise auch für Phantasielose ein Kinderspiel.

Und wenn man keine Lust mehr auf Antikes hat, sucht man sich ein schattiges Plätzchen und beobachtet französische und/oder amerikanische Kreuzfahrt-Touristen! Sehr unterhaltsam!

Unser Hotel "Gli Dei" lag in Pozzuoli, einer Hafenstadt, 20 km von Neapel entfernt. Direkt oberhalb der Solfatara, einem Vulkan der zu den Phlegräischen Felder gehört. Je nachdem wie der Wind steht weht einem der Duft von faulen Eiern in der Nase. Man gewöhnt sich jedoch schnell daran. Entschädigt wird man durch eine sagenhafte Aussicht. Nach vorne gibt es einen Blick auf den Golf von Neapel. Hinten raus wird es besonders zur Abendstunde spektakulär. Das Lichtermeer auf dem Vomero, einem Stadtteil von Neapel, und der Vesuv. Das Hotel ist eine beliebte Hochzeitslocation mit einem chilligen Poolbereich und Frühstückssaal mit "Just Married" Atmosphäre. An jedem Morgen standen neue florale Centerpieces auf den riesigen runden weissen Tischen, an denen man auf weissen Hussenstühlen Platzt nimmt. Nachteil an dem netten Fleckchen ist die Entfernung bis in die Innenstadt von Pozzuoli. Zu Fuss ist es zu weit. Das "Städtchen" hat 90.000 Einwohner, verfügt über einen hübschen Hafen, eine ansprechende Promenade und eine sehr lange Geschichte. Hier landete zur Zeiten der alten Römer Schiffe mit den Getreidelieferungen aus Ägypten. Es gibt ein sehr gut erhaltenes Amphitheater und Goethe war schon einmal da. Am Wochenende kommen die Neapolitaner zum Ausgehen. Pozzouli ist bekannt für seine spektakuläre Fischküche, die auch wir geniessen durften. Im "Sale e Pepe"!!!! 

Das Konzept des "Sale e Pepe" ist schlicht und ergreifend. Man setzt sich an einen der kleinen Tische in den geschmackvoll eingerichteten Räumen oder auf die Dachterasse, und lässt sich überraschen. Es gibt keine Karte, sondern ein festes Menü, das aus vielen kleinen Köstlichkeiten besteht. So vielen, dass sich innerhalb von 5 Minuten der Tisch wölbt. Wir haben einmal versucht die Speisenfolge zusammenzustellen: 

 

Melanzane sotto olio (gegrillte Auberginen)
Alici sotto olio (Sardellen)
Insalata di polpo (Tintenfischsalat)
Bruschette di pomodoro (Tomaten-Bruschetta)
Bruschette di fagioli ripassati (Bruschetta mit dunklen Bohnen)
Cozze gratinate (überbackene Muscheln)
Polpo al pomodoro (Tintenfisch in Tomaten-Rotweinsauce)
Pesche fritto (Frittierter Fisch)
Bianchetti gratinati (überbackener Minifische)
Faggiolotti (dunkler Bohneneintopf)

Spaghetti alle vongole e cozze (Spaghetti mit Muscheln)
Risotto ai frutti di mare (Meeresfrüchte-Risotto)

Tiramisu und Schokoladenkuchen

 

Die Küche schickt übrigens solange Gerichte raus bis man Stop sagt. Wie man an der Aufzählung sehen kann, sind wir erst garnicht bis zu den "Secondi" gekommen. Kulinarische Neugierde und ein erfreuter Gaumen übernehmen dabei ganz schnell die Oberhand und lassen den Verstand alt aussehen. Nicht anders ist der parallele Konsum von zwei Flaschen hervorrangendem Weisswein zu erklären.

Man muss Meeresgetier, insbesondere Tintenfisch und Muscheln mögen, um einen unvergesslichen und kulinarisch hemmungslosen Abend im "Sale e Pepe" zu erleben. Was im übrigen ein fast beschämend günstiges Erlebnis ist. Aber für solche Fälle wurde ja ein üppiges Trinkgeld erfunden. 

Am nächsten Tag haben wir uns ein Taxi gegönnt, das uns nach Napoli und später wieder zurückbringen sollte. Die Fahrt ging entlang der Küste mit sensationellen Ausblicken auf den Golf von Neapel, den Vesuv und das neapolitanische Häusermeer.

Was ich sonst zu sehen bekam war mehr Cote d´Azur als schwarzes Schaf von Italien: schicke Palazzi an Berghängen, nette Jachthäfen und gepflegte Promenaden. 

In der Nähe der Altstadt ausgesetzt, liessen wir uns dann stundenlang einfach durch die Stadt treiben. Völlig ziellos. Ich hatte mich noch nie in meinem Leben so schlampig auf einen Städtetrip vorbereitet. Und obwohl ich nicht mal ahnte wo die TOP 5 Sehenswürdigkeiten liegen, wurde es - entschuldigen Sie bitte den folgenden Ausdruck, der jedoch am treffendsten ist - ein GEILER Tag!  Über die Via Toledo, eine lange mit Menschenmassen verstopfte Einkaufsstrasse, ging es immer tiefer in die Stadt hinein. Besonders die Seitenstraßen sind ein Hingucker. Sie verlaufen steil nach oben zu den Hängen und die Häuser stehen sich so eng gegenüber, dass man sich beim Wäscheaufhängen die Hände schütteln könnte.  Was in Neapel im Gegensatz zu Rom direkt auffällt: hier leben ganz normale Menschen mitten in der Altstadt. Und zwar viele. Und man sieht sie in den Straßen. Und der dicke Lippen-Faktor in Kombination mit extrem gestrafften Gesichtzügen ist auch sehr viel geringer. Neapel kommt pur, aber nicht ganz ungeschminkt daher. Man sieht viele bunte Schmierereien auf barocken Brunnen, dafür wenig Graffitikunst. Kaum vorstellbar, aber Neapel ist um ein Vielfaches chaotischer als Rom. Römer bestätigen mir immer wieder sie würden sich durchaus an Regeln halten, solange diese sinnvoll sind. Die Neapolitaner scheinen erst garnicht in Betracht zu ziehen, dass es eine sinnvolle Regel geben könnte. Alles scheint erlaubt, weil manchen vieles einfach vollkommen egal ist. Diese anarchistische Grundstimmung in Neapel scheint Fluch und Segen zugleich zu sein. Sie schafft Platz für skurrile Gegensätze, viel Schönes und natürlich auch Hässliches. So steht ein besetztes Haus direkt neben einer Basilika. Ein kleiner belebter Platz vor eine Polizeistation wird spontan zum Hundespielplatz umfunktioniert.  In den engen Gassen kommt man an geschmackvoll eingerichteten Restaurants und verfallenen Kirchen vorbei. Diese Widersprüchlichkeiten finde ich anziehend. Ebenso wie die neapolitanische Kaffeekunst. Ich habe es an dem Tag auf drei Espressi gebracht. Köstlich! Ebenso wie die Pommes, die wir "al volo" zu uns genommen haben. Grundsätzlich nimmt man in Neapel gerne Frittiertes zu sich. Zur Zeit scheinen Kartoffeln der Renner zu sein, denn sie werden überall in großen Spitztüten durch die Stadt getragen. Die Kartoffeln werden frisch geschnitten und dann sofort frittiert. Ein Stück der berühmten neapolitanischen Pizza haben wir selbstverständlich auch probiert. Einfach lecker! Und wären wir nur einen Tag länger in Neapel gewesen, wäre nicht nur das Wochenende "big" und "fat", sondern auch wir.